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IP in der Unternehmenskommunikation: Wie werden Kundenentscheidungen mit IP beeinflusst?

Unternehmen haben Möglichkeiten zur Wahrnehmungssteuerung mit den Mitteln der Unternehmenskommunikation und des Marketings. Entsprechende Aktivitäten der Unternehmen wirken auf die Entstehung und Bedeutung von IP direkt und indirekt ein.

Die Aufmerksamkeit Dritter ist ein hohes Gut.

Aufmerksamkeit ist „die unwiderstehlichste aller Drogen“, war kürzlich in der ZEIT zu lesen.[1] Sie zu erlangen, beachtet zu werden, wird in allen Bereichen des Lebens als wichtig empfunden und angestrebt, natürlich auch für unternehmerische Belange. Das gilt insbesondere dort, wo es um die Vermittlung des Erscheinungsbildes des Unternehmens und seines Angebots geht. Dass es auffällt und registriert wird, und zwar unter positiven Konnotationen, ist für Unternehmen überlebenswichtig.

Ist ein Gegenstand in der Lage, Aufmerksamkeit zu wecken und Beachtung potentieller Abnehmer zu finden, hat er ein interessantes und unter IP-Gesichtspunkten sehr häufig verwertbares Potential, das das IP-Management (IPM) nutzen kann.

Es ist das zentrale IPM-Anliegen, zugunsten des diese Managementdisziplin betreibenden Unternehmens Verbietungsrechte zu begründen, also rechtlich absolut wirksam geschützte Positionen, mit denen das Unternehmen seine Konkurrenten daran hindern kann, ihm im Wettbewerb in die Quere zu kommen. Wobei solche Verbietungsrechte nicht vorzugsweise an irgendwelchen, womöglich vornehmlich technischen Eigenschaften von Kaufgegenständen zu erwerben sind, sondern vielmehr und prioritär an solchen Besonderheiten („features“) von kommerziellen Angeboten und Produkten (körperlichen Gütern und Dienstleistungen), die nachweislich ursächlich werden für die Kaufentscheidung der Angehörigen der Zielgruppen zugunsten des vom eigenen Unternehmen unterbreiteten Angebots. Somit wird augenfällig: Es kommt auf die positive Wahrnehmung dieser „features“ durch die Zielgruppen an und auf ihre den Kaufentschluss fördernde und letztlich herbeiführende Verarbeitung der Wahrnehmungsinhalte durch die Zielgruppenangehörigen – somit auf die Fähigkeit der „features“, deren Aufmerksamkeit kaufentschlussbegründend zu wecken. Rechtlich ist die Monopolisierung dieser Wahrnehmungsprozesse anzustreben.

Ein IPM bliebe unvollständig – mit bisweilen womöglich für das Unternehmen schicksalshaften Folgen -, würde es die Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmung und die Möglichkeiten außer Acht lassen, sie zu nutzen. Die Obliegenheit, das zu tun, ist Teil der multi- und interdisziplinären IPM-Aufgabenstellung des Unternehmens. Dessen Gelingen setzt auch ein gutes Verständnis der maßgeblichen und zu nutzenden Wahrnehmungsprozesse voraus und, soweit nötig, deren umfassende Beherrschung.

I.

Was passiert bei Wahrnehmung?

Gegenstand der Wahrnehmung ist, abstrakt gesehen, die Aufnahme von Informationen. Dieser Vorgang wird körperlich mit den Sinnen vollzogen, mit dem Geist erlebt und der Psyche verarbeitet.

Auf den ersten Blick scheint dieser physisch-intellektuell-psychische Hergang der Informationsaufnahme und –verarbeitung sowie der biologie- und psychologieorientierte Begriff der Wahrnehmung mit der Thematik „Management des geistigen Eigentums“ (IP-Management) wenig oder nicht unmittelbar etwas zu tun zu haben.

Oder etwa doch?

 

II.

Bedeutung der Wahrnehmung im Bereich der gesetzlichen Schutzgewährung (Schutzumfang und Wert)

Für den Erwerb von Schutzrechten und die Begründung von sonstigen, ähnlich geschützten Rechtspositionen kommt es in der Regel darauf an, dass das, was Schutz genießen soll, also der Schutzgegenstand, sich deutlich wahrnehmbar darstellt. Und zwar in der Weise, dass diese spezifische schutzrechtsbezogene Wahrnehmbarkeit klar offenbart, dass die jeweiligen gesetzlichen Schutzvoraussetzungen erfüllt sind.

Bei Patenten ist es z. B. so, dass der Gegenstand, für den Patentschutz entstehen soll, sich als eine neue und auf erfinderischer Tätigkeit beruhende Erfindung wahrnehmbar machen muss (§ 1 Abs. 1 PatG).

Im Bereich des Markenrechts können nur solche Zeichen Schutz genießen, die vermöge ihrer Signalstärke Unterscheidungskraft besitzen (§§ 3, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Sie müssen kennzeichnungskräftig sein, nämlich geeignet, infolge ihrer Eigenart und/oder Bekanntheit sich als Marke einzuprägen. Das macht sie markenspezifisch wahrnehmbar.

Für den Bereich des Urheberrechts gilt, dass im Bereich der Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst (§§1, 2 UrhG) nur persönlich geistige Schöpfungen (§ 2 Abs. 2 UrhG) Schutz genießen können. Das Werk muss infolgedessen aus sich heraus wahrnehmbar machen, dass es im Vergleich mit vorher bekannt gewordenen Werken auf geistigem Gebiet etwas noch nicht Dagewesenes ist.

Schutz nach dem Designgesetz gibt es nur, wenn die Wahrnehmung der Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon vermittelt, dass diese designerische Gestaltung neu und eigenartig ist (§§ 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 DesignG).

Unter dem Gesichtspunkt der Abwehr unlauteren Verhaltens gewährt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Nachahmungsschutz, wenn das kopierte Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart besitzt. Das ist der Fall, wenn es deutlich wahrnehmbar auf seine Besonderheit hinweist oder durch seine Eigenheiten im Bewusstsein des Betrachters auf seinen Anbieter, seine betriebliche Herkunft verweist.

In dem Zusammenhang der Erlangung gesetzlichen Schutzes kommt der Intensität solcher Wahrnehmbarkeit eine hohe Bedeutung zu: Je stärker das Kreativitätsergebnis und der jeweilige Innovationsgehalt wahrnehmbar werden, desto eindeutiger wird der Anspruch auf die Erteilung und rechtliche Anerkennung des Schutzrechts, auch seitens der Gerichte, und umso größer fällt der Umfang des entstehenden rechtlichen Schutzes aus.

Die Wahrnehmbarkeit des Schutzgegenstandes hat indes nicht nur die Aufgabe, dem Schöpfer oder Urheber einer gewerblichen Leistung und anderen erkennbar zu machen, dass gesetzlicher Schutz eintreten kann. Sie soll auch für möglichst gesteigerten, hochwirksamen Schutz sorgen. Und dafür ist nun einmal ein jeweils hohes Maß an Wahrnehmbarkeit des Schutzobjektes (Leistungsergebnis im weitersten Sinn) zu fordern.

Deswegen trifft Innovative/Innovatoren und ihre Unternehmen eine doppelte Aufgabe: Es ist ein deutlich wahrnehmbarer Schutzgegenstand zu schaffen; dafür ist Schutz zu erlangen. Zusätzlich sind dessen Spezifika unübersehbar in der Unternehmenskommunikation einzusetzen! Eine qualifizierte Wahrnehmbarkeit und Wahrnehmung der erkennbaren attraktiven Angebotsfeatures ist zu fordern. Denn das wirkt verstärkend auf die Wahrnehmbarkeit des Schutzgegenstandes zurück, wovon das Unternehmen – juristisch und kommerziell – nachhaltig profitiert.
III.

Wahrnehmung?

Erscheint damit die Notwendigkeit einer möglichst starken Wahrnehmbarkeit unternehmerischer Leistungsergebnisse (Angebotsinhalte) ansatzweise begründet, erschließt sich von selbst das Erfordernis, das Phänomen Wahrnehmung zu verstehen und deren Gesetzmäßigkeiten zu beachten. An dieser Stelle soll und kann nur auf ganz Grundsätzliches hierzu hingewiesen werden.

Der Begriff Wahrnehmung (fremdsprachlich „Perzeption“) bezeichnet sowohl den Prozess („wahrnehmen“) als auch das Ergebnis („(eine) Wahrnehmung“) der Informationsgewinnung bei der Verarbeitung von Reizen, die die Umwelt oder auch das Körperinnere einem individuellen Lebewesen zuliefern (z. B. Wohlgefühl oder Unwohlsein).

Menschen gewinnen diese Verarbeitungsergebnisse durch oft unbewusstes und manchmal auch bewusstes Filtern und Zusammenführen von Informationen oder auch nur Bruchstücken davon zu subjektiv als sinnvoll empfundenen Eindrücken (Perzepten). Sobald diese entstehen, veranstaltet das Gehirn unbeeinflussbar ein Controlling: Vorläufig gewonnene Perzepte werden fortlaufend mit gespeicherten Inhalten (Vorstellungen, Erkenntnissen) abgeglichen. Im Fall von Diskrepanzen beginnen Überprüfungen (Falsifikationen).

Wahrnehmung beginnt mit der Öffnung von Physis und Psyche für Reize. Von besonderem Interesse ist im gegebenen Zusammenhang aber auch die Frage, wann ein spezifischer Wahrnehmungsprozess endet und die Aufmerksamkeit dem dabei zeitweilig beachteten Gegenstand wieder entzogen wird.

Hierbei ist zunächst ein Umstand zu beachten, der auf der allgemeinen Gesetzmäßigkeit der Energieökonomie organischer Vorgänge bei Lebewesen beruht: In den Ablauf organischer Prozesse investiert ein individueller Organismus (Mensch) nicht mehr Energie als für das Weiterleben (Überleben) erforderlich ist oder erscheint.

Das zentrale Nervensystem versetzt den Menschen in die Lage, im Wachzustand jederzeit – ggf. überlebenswichtige – Entscheidungen treffen zu können. Dafür nimmt es im Zusammenwirken mit den Sinnesorganen Reize auf und verarbeitet es sie. Dabei läuft ein entscheidend wichtiger Prozess ab: Das Gehirn verdichtet die dabei gewonnenen Informationen zu Sinn. Der Vorgang unterliegt sozusagen einem Synthesezwang: Das Gehirn verarbeitet die Perzepte solange, bis sie insgesamt sich zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen lassen. Der energieökonomische Aspekt besteht darin, dass das Gehirn mit dieser Arbeit endet – und aufhören muss – sobald die Sinnhaftigkeit des Konstruktes an ausreichender „Überzeugungskraft“ gewonnen hat. Das ist dann der Fall, wenn die Entscheidung zu einer Reaktion oder Nichtreaktion gefallen ist. Und zwar – und allerdings – ohne Rücksicht darauf, ob dieses Konstrukt (der konstruierte Sinn) einem Abgleich mit der Realität standhält oder nicht.

Die Beobachtung ist deswegen so wichtig, weil der Wahrnehmungsvorgang im konkreten Einzelfall für gewöhnlich endet, sobald dieses Stadium erreicht ist. Für den Bereich der Unternehmenskommunikation bedeutet das, dass sich der Kommunikationskanal zum beteiligten adressierten Stakeholder schließt, sobald sich für ihn ein Sinn ergeben hat. Danach ist er – jedenfalls zunächst, im gegebenen Kontext – nicht mehr erreichbar. Bis dahin nicht „geschaffte“ Kommunikationsresultate werden nicht mehr erzielt.

Das gilt nur in einem Fall nicht: Sofern die Emotionen des kommunikativen Rezipienten ausreichend stark angesprochen werden, bleibt der Kanal offen, auch nachdem sich ihm der Sinn subjektiv offenbart hat. Das gilt sicherlich etwa in dem Fall, dass die Situation den Empfänger ängstigt. Aber vorzugsweise auch dann, wenn die Wahrnehmung wichtige positive Empfindungen hervorgerufen hat. Das ist zum Beispiel der Fall bei dem Erlebnis von Schönheit. Wie Stendhal erkannt hat, ist Schönheit „die Verheißung des Glücks“. Kein Wunder, dass sich niemand spontan abwendet, wenn er schöne Erscheinungen und Phänomene wahrnimmt. Werbefachleute und Marketingexperten wissen das.

Für IP-Manager folgt daraus, dass sie die Wahrnehmung der Zielgruppenangehörigen auf der Ebene der Emotionen mit in den Fokus zu nehmen haben. Managementtechnisch erfolgt die Umsetzung dieser das Thema Wahrnehmung betreffenden Einsichten durch inter- und multidisziplinäre Kooperation der tangierten Unternehmensstrukturen (F&E, Patente, Marken, Kommunikation, Marketing…).

 

IV.

Wahrnehmungsbezogene, IPM-relevante Prozesse

Prozesse der Wahrnehmung unterliegen der Beeinflussung. Determinanten von Wahrnehmungsprozessen sind, bezogen auf das wahrnehmende Individuum, innere Gegebenheiten oder auch äußere Umstände. Ebenso wie der angesprochene Prozess der Sinnstiftung beeinflusst werden kann, ist es möglich, eine emotionale Atmosphäre zu schaffen, die eine fortwährende Beschäftigung mit Perzepten und Kommunikationsergebnissen gewährleisten kann.

Unternehmen haben Möglichkeiten zur Wahrnehmungssteuerung mit den Mitteln der Unternehmenskommunikation und des Marketings.

Sie können wahrnehmungsaffine Umstände schaffen und nutzen (Präsentieren von Schönheit, s. o.). Sie können durch das Bestimmen der Wahrnehmungsgelegenheiten (Zeit und Ort sowie Art und Weise) Wahrnehmungsprozesse initiieren. Es steht ihnen frei, Wahrnehmungsinhalte zu gestalten und vorzugeben. Ihnen obliegt die Bestimmung der Wahrnehmungsstärke (Wahrnehmungsintensität). Sie haben die Möglichkeit des Controllings der Wahrnehmungsprozesse.

Entsprechende Aktivitäten der Unternehmen wirken auf die Entstehung und Bedeutung von IP direkt und indirekt ein.

 

V.

Unternehmenskommunikation

Die Möglichkeiten der Unternehmenskommunikation verhelfen den Unternehmen dazu, die Prozesse der Wahrnehmung in Gang zu bringen und zu steuern. Dem wird das Unternehmen große Bedeutung zumessen, denn es wird sich der Tatsache bewusst sein, dass es schlechthin unmöglich ist, nicht zu kommunizieren (Watzlawick-Axiom): Alles was ausgesandt wird, wird auch wahrgenommen – stets auf beiden Ebenen: mehr oder weniger intensiv, absichtlich oder unabsichtlich, bewusst oder unbewusst. Dabei sind für den Inhalt der Kommunikation und dessen Relevanz nicht die Absichten und Wünsche des Absenders der Signale maßgeblich, sondern die Aufnahme durch den Empfänger und die bei ihm herrschenden Umstände (Schultz von Thun).

Natürlich kommt es in erster Linie auf die Inhalte der Kommunikation an, wenn es darum geht eine günstige Kaufentscheidung der Stakeholder herbeizuführen. Dabei sind die ablaufenden Prozesse der Kommunikation allerdings so wichtig, dass es angezeigt erscheint, eine gesteigerte Lust an der Kommunikation und ihren Formen – beim Sender und dem Empfänger – zu entwickeln, unabhängig von den Inhalten. Dabei können neue interaktive Formen genutzt werden. Die dabei ablaufenden Vorgänge können intensiven Erlebnischarakter haben, wovon die Absatzstrategien des Unternehmens relevant profitieren können.

Es geht also um Wahrnehmung und Herstellung von Realität: Damit kann die Aufforderung an Unternehmen gerichtet werden, die Prozesse der Konstruktion von Realität durch die Zielgruppenangehörigen zu beeinflussen und sie von der Vorteilhaftigkeit des unternehmerischen Angebots zu überzeugen, wenn diese sich auf den Weg machen, sich im Hinblick auf zu treffende Kaufentscheidungen zu informieren.

 

 

© 2017

Axel Mittelstaedt

[1] DIE ZEIT/Cathrin Gilbert, 22.06.2017, S. 1.