Die systematische Nutzung von IP in Unternehmen gewinnt eine immer größere wirtschaftliche Bedeutung. Gleichzeitig entwickeln sich Dienstleistungsangebote, um Unternehmen bei der Schaffung von Patenten zu unterstützen. Aber weder in Deutschland, noch weltweit, besteht ein einheitliches Verständnis darüber, was Qualität im unternehmensinternen IP-Management ausmacht.
Ein Interview mit Prof. Alexander J. Wurzer
Herr Prof. Wurzer, welches übergeordnete Ziel verfolgen Sie mit der Einführung einer Standardisierung im IP-Management?
Der konkrete Ausgangspunkt für die Inkraftsetzung des DIN-Arbeitsausschusses zur Qualität im IP Management war eine Umfrage, die wir über die Universität bei Industrieunternehmen und IP Dienstleistern in Deutschland durchgeführt haben. Dabei traten zwei zentrale Überlegungen insbesondere aus der Unternehmensperspektive auf.
Die erste Frage war die nach der Effizienz. Das waren in der Regel mittelständische Unternehmen, die sich die Frage stellen, wie eine möglichst kosteneffiziente IP Arbeit im betrieblichen Umfeld organisiert werden kann. Man hätte dort gerne eine Richtschnur dafür, wie die IP Arbeit so gestaltet werden kann, dass alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden und die Schaffung eigener Rechtspositionen durch IP möglich ist. Man erhofft sich von einer Norm zur Qualität im IP Management eine Art Checkliste für die notwendigen Minimalanforderungen der betrieblichen IP-Organisation.
Der größere Kontext … von Qualität im IP Management …kann mit den Begriffen Digitalisierung, Internet der Dinge oder Industrie 4.0 erfasst werden.
Die zweite Frage wurde eher von größeren Unternehmen gestellt und hat etwas mit der gestiegenen Aufmerksamkeit rund um das Thema Compliance zu tun. Die IP-Abteilungen hätten gerne durch eine Zertifizierung entlang einer Qualitätsnorm für IP Management einen Nachweis, dass ihre Abläufe und Organisationsform dem Stand der Technik erfüllt.
Der größere Kontext in den die Diskussion um die Qualität im IP Management eingebettet ist, kann mit den Begriffen Digitalisierung, Internet der Dinge oder Industrie 4.0 erfasst werden. Unabhängig davon, mit welchem Konzept man die aktuellen Entwicklungen in der Industrialisierung und Globalisierung beschreibt, nimmt die Komplexität des IP-Managements kontinuierlich zu. Das führt zu steigenden Anforderungen an die notwendigen Ressourcen für das IP-Management.
Ein Beispiel kann das beleuchten. Früher war es üblich, dass ein Gerätehersteller für jede seiner Gerätebaureihen eine eigene Steuerungselektronik, die auf die spezifischen Funktionen der Geräte optimiert war. Wurde beispielsweise bei einer Steuerung ein Patent verletzt, so war nur diese eine Baureihe betroffen und musste gegebenenfalls umkonstruiert werden. Heute werden kostengünstige digitale Plattformen eingesetzt. Alle Geräte haben die gleiche Steuerungselektronik und die Funktionen werden nur durch unterschiedlich freigeschaltete Softwareelemente unterschieden. Wenn eine solche Plattform ein Patent verletzt, dann kann im Extremfall das Unternehmen überhaupt keine Produkte mehr ausliefern. Die Komplexität von Produkten hat so zugenommen, dass sich beispielsweise ein Unternehmen wie Philips ganz von der Logik einer gesicherten Ausübungsfreiheit (Freedom to Operate) verabschiedet hat und nur noch mit Wahrscheinlichkeiten im Risikomanagement arbeitet. Solche Diskussionen haben wir auch hier in Deutschland und das hat viel mit der Organisation und Befähigung der hiesigen IP-Abteilungen zu tun.
Welche Vorteile würde eine solche Standardisierung für die IP-Branche denn mit sich bringen?
Je deutlicher es für die Unternehmensleitungen wird, dass für substanzielle IP-Arbeit auch ausreichende Ressourcen bereitgestellt werden müssen, desto besser für die IP-Branche. Es gibt ja nicht wenige Fälle, da ist IP aus der Perspektive der Geschäftsleitung eher ein ungeliebtes Kind und ein notwendiges Übel. Eine Qualitätsdiskussion wird dabei helfen, die Kosten-/Nutzenverhältnisse zu verdeutlichen. Denn wer über Qualität spricht, muss über Effizienz und Effektivität nachdenken. Es geht also darum, was IP für die Unternehmen an Ergebnisbeitrag liefert. Eine solche Diskussion macht die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit von IP-Management im digitalisierten, internationalen Wettbewerb deutlich.
Ganz konkret hilft eine Qualitätsnorm die eigenen Leistungen besser zu kommunizieren und aus Sicht des Einkäufers solcher Dienstleistungen diese besser zu evaluieren. Standards helfen dabei, Märkte effizienter zu machen und die Suchkosten für die Einkäufer sowie die Marketingkosten für die Anbieter zu reduzieren.
Welches sind die größten Herausforderungen vor denen Sie im Zuge der Zertifizierung stehen?
Die aktuellen Diskussionen drehen sich beispielsweise um den Grad an Detaillierung der durch die Norm an die Qualitätsanforderungen gestellt wird. Je konkreter und präziser die Anforderung, desto leicht kann sie zertifiziert werden. Gleichzeigt müssen die Anforderungen aber an sehr unterschiedliche Unternehmen in verschiedenen Branchen, mit unterschiedlicher Größe und individuellen Geschäftsmodellen passen. Ebenfalls steht die Diskussion über die Art der Qualifikation der Zertifizierer, wie lange ein einmal ausgestelltes Zertifikat gültig sein soll sowie viele weitere Kriterien.