Bayern-Innovation und das Deutsche Patent- und Markenamt luden am 7.11.2018 IP-Experten aus Industrie und Kanzleien zum Thema Künstliche Intelligenz und Patente in das DPMA in München ein. Trotz vieler offener Fragen waren sich die Teilnehmer der KI-Fachtagung einig: Anwendungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz unterliegen zunächst denselben Grundsätzen bei der Einschätzung der Patentfähigkeit wie computerimplementierte Erfindungen. Es zeigt aber auch, dass Unternehmen die Notwendigkeit und Chance erkennen, Ihre zukünftigen Geschäftsmodelle in diesem Bereich durch passende Schutzrechte abzusichern. Ein Grund ist auch die starke Patent-Präsenz der großen IT-Player wie Google, Microsoft und Amazon in diesem Bereich.
Software und KI sind in einem technischen Kontext patentierbar
Gerade in den softwarenahen Branchen werde fälschlicherweise argumentiert, dass Software grundsätzlich nicht patentiert werden könne. Im Gegenteil: Es besteht bei den Teilnehmern und Vortragenden Konsens, dass Software in einem technischen Kontext dem Patentschutz zugänglich ist. Konkrete Anhaltspunkte für die Ausgestaltung von Ansprüchen und Anmeldungen geben insbesondere die im November 2018 aktualisierten Prüfungsrichtlinien des Europäischen Patentamtes. Allerdings ergeben sich bei KI-Systemen als Spezialfall von computerimplementierten Erfindungen neue Fragestellungen, die zum großen Teil noch unbeantwortet bleiben. Eine dieser Punkte ist die Frage nach dem Erfinder, wenn ein KI-System von sich aus einer Erfindung generiert. Genauer: Wer ist der Erfinder? Die Maschine oder der Erschaffer des künstlichen neuronales Netzes dahinter? Wie steht es mit der Ausführbarkeit? Kann ein Fachmann die offenbarte Erfindung nacharbeiten? Müssen dazu die Trainingsdaten mitveröffentlicht werden? Die derzeitige Gesetzgebung scheint nach Meinung von Dr. Hetmank von der TU Dresden dennoch gut mit den KI-Erfindungen umgehen zu können, zumal künstliche neuronale Netze und deren Aufbau weitestgehend den Gesetzmäßigkeiten bekannter computerimplementierter Erfindungen folgen. In den nächsten Jahren dürften weitere Gerichtsentscheidungen des BPatG, BGH und der Beschwerdekammern des EPA zunehmend Klarheit schaffen.
„Starke“ und „schwache“ KI?
Es erscheint wahrscheinlich, dass sich KI vor allem für hochspezialisierte Anwendungsfälle durchsetzen wird. Reinhard Karger vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz zeigte auf, dass sich gerade in diesem Bereich ein Milliardenmarkt entwickelt. Insbesondere im medizinischen Bereich stellte Jaroslav Blaha von der Firma CellmatiQ Anwendungen von KI im Bereich der Auswertung von Röntgenbildern für die Kieferorthopädie und Zahnmedizin sowie eine KI-gestützte Analyse von Aufnahmen des Augenhintergrunds zur Diagnose von Krankheiten vor. Dr. Matthias Schneider von Audi diskutierte unter anderem den Stand der Reife von KI-Anwendungen für den öffentlichen Straßenverkehr, abgerundet durch Vorstellung konkreter KI-Anwendungen im Bereich Additive Fertigung bei der Münchner EOS GmbH. Alle genannten Firmen arbeiten derzeit mit Ihren Patentanwälten an konkreten IP-Strategien und Patentanmeldungen zur Absicherung Ihrer Innovationen und Geschäftsmodelle.
Was kann KI und was kann sie nicht?
Herr Karger resümierte, dass in der derzeitigen öffentlichen Diskussion ein eher verzerrtes Bild von KI gezeichnet werde. Die in den Medien häufig anzutreffende Vorstellung des humanoiden Roboters erscheint derzeit eher unwahrscheinlich. Andererseits mischen sich Vorstellungen von „allmächtiger KI“ mit der nüchternen Erkenntnis, dass die Fähigkeiten des Menschen in den meisten Bereichen eben nicht einfach durch ein künstliches neuronales Netz ersetzbar sind. Mustererkennung und Objekterkennung sind beispielweise Gebiete, wo KI bereits heute gut funktioniert. Hingegen stellt das Verstehen von Sachverhalten im Kontext KI-Systeme derzeit vor nahezu unlösbare Schwierigkeiten. Auch die Gesellschaft muss grundlegende moralische Fragen beim Umgang mit KI beantworten und Leitplanken zukünftigen Handelns definieren.