Ziel eines qualifizierten IP-Managements ist der Erwerb von relevanten Verbietungsrechten. Das sind solche Schutzrechte, die es – soweit möglich – verlässlich verhindern, dass Konkurrenten dem Schutzrechtsinhaber wettbewerblich in die Quere kommen können.
Dieses Ziel kann systematisch verfolgt und erreicht werden. Hierzu ist bereits viel geschrieben worden.[1] Hier sollen die Notwendigkeit und die Segnungen einer ganzheitlichen Betrachtung und Bewältigung der Phänomene Kreativität – Ideen – Wissen erörtert werden. Und die der Erkenntnis, dass das systemische Zusammenwirken aller an einem qualifizierten strategischen IP-Managements beteiligten Faktoren kein nice-to-have ist, sondern ein unbedingtes MUST. Das gilt für das hier aufgeworfene Thema im besonderen Maß.
Direkt ein Beispiel. Jeder kennt diese grafische Figur:
(Abbildung gemäß HABM-Markenregister zur CTM 009784299)
Das ist natürlich das Markenzeichen von Apple Inc., der gegenwärtig wertvollsten Firma der Welt.
Apple wurde am 1. April 1976 in einer Garage von Steve Jobs, Steve Wozniak und Ron Wayne mit einem Startkapital von US-$ 1.300 (kein Aprilscherz!) gegründet. Bereits mit dem Unternehmensnamen „Apple“.
Da waren von Anfang an kluge Leute am Werk, die kreativ waren, vorbildliche Ideen generiert und ihr Wissen effizient geschützt haben: Schon die Wahl der Wortmarke „Apple“ war markenstrategisch ein mehr als raffinierter Schachzug. Das Wort Apple/Apfel gehört zum Grundwortschatz eines jeden und muss nicht erst verständlich oder bekannt gemacht werden. Die Wahl dieses Fruchtnamens war aber auch deswegen intelligent, weil der Begriff hochgradig positiv konnotiert ist. Alle Menschen wissen von klein auf, dass der Apfel eine wohlschmeckende, bisweilen sogar köstliche Obstsorte ist. Ausgangspunkt der Markenkreation war eine grafische Darstellung von Newton, der unter einem Apfelbaum sitzt, über ihm der „reife Apel“, bereit zum Herunterfallen.[2] Damit war in der Markenentstehung eine Verbindung zur Welt der Naturwissenschaften gegeben. Gleichwohl bringt niemand den Begriff „Apple“ von sich aus mit der Welt der Computer in Verbindung. Markenrechtlich bedeutet das, dass die Marke Apple nicht im Geringsten beschreibend ist und damit nicht nur das für die Entstehung des Markenschutzes erforderliche Maß an Unterscheidungskraft besitzt, sondern auch und darüber hinaus das Potential besitzt, für Computer und Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang mit derartigen Produkten einen hohen Schutzumfang der dann eingetragenen Marke zu erwerben.
Es war den Apple-Gründern in den 1970er Jahren klar, dass mit Apple-Produkten in erster Linie Angehörige der jüngeren Generationen angesprochen werden sollten. Diese empfanden noch aus einem ganz anderen Grund Sympathie für die Marke Apple. Das war nämlich die schon damals hervorragend eingeführte Label-Bezeichnung der Beatles-LPs. Die von der Markenwahl ausgehende Einstimmung ging insoweit also überdies in Richtung Jugendlichkeit und Entertainment.
Die Erscheinungsform eines Apfels ist vergleichsweise ebenso einfach wie natürlich originell, unverwechselbar mit anderen Obstsorten, wie Birnen oder Kirschen. Die Erinnerung an diese Form kann mit sehr reduzierten grafischen Mitteln evoziert werden. Apple Inc. entschied sich bekanntlich für die oben dargestellte bildliche Markenform, erst in bunter, dann ab 1998 in der einfarbigen, überwiegend schwarzen/weißen Version.
Sie ist hochgradig einprägsam, nicht nur durch die Reduktion auf das Charakteristische der Erscheinungsform eines Apfels, sondern auch durch den „Kunstgriff“, dass die rechte Seite der Frucht an ein herausgebissenes Stück denken lässt. Damit wird die biblische Apfel-Geschichte ins Gedächtnis gerufen. Sie ist eine der bekanntesten Geschichte der Menschheit und überdies eine Erzählung der Verführung. Und auf Verführung war Apple Inc. aus, wie die Kaufungeduld der Apple-Begeisterten bei der Einführung eines neuen Produkts sinnfällig belegt.
Die schon ursprüngliche Stärke der Marke und dann deren qualifizierte Führung durch das Apple-Management verliehen der Marke eine ungewöhnlich intensive Strahlkraft. Diese dafür sorgte, dass im Wirkbereich der Marke aufgestellte Zweitmarken davon mühelos profitieren konnten. Die bekannten „i“-Marken, wie iPhone, iPod oder iPad belegen das deutlich. Die angesprochenen Verkehrskreise bringen sie umstandslos mit „Apple“ in Verbindung.
In Verbindung mit hochgradig erfolgversprechenden Produktentwicklungen und Marketingstrategien entstand so ein Unternehmensimperium, das über hochbekannte, ja sogar berühmte Marken verfügt, die dafür sorgen, dass sich jeder Konkurrent von diesen Schutzrechten fernhalten muss. Gerät er nur in die Nähe dieser Rechte, muss er mit dem Schlimmsten rechnen, das das Gesetz dem Markeninhaber zur Verfügung stellt. Der Erwerb von relevanten Verbietungsrechten war hier vorbildlich geglückt. Dem lag die Beherrschung der Themen Kreativität – Ideen – Wissen zugrunde.
Deren gemeinsame Nennung in einem Atemzug ist nicht zufällig und geschieht nicht unabsichtlich. Das Beispiel Apple zeigt die Zusammengehörigkeit dieser Bereiche auf. Apple hat es verstanden, das Zusammenwirken dieser immer beteiligten, synergetisch agierenden Wirkungsfaktoren zu betrachten und zu verstehen – und zu lenken!
Das systemische Zusammenwirken aller an einem qualifizierten strategischen IP-Management beteiligten Faktoren ist kein nice-to-have ist, sondern ein unbedingtes MUST
1. Kreativität
Das ist eine Eigenschaft von einzelnen Menschen bzw. Menschengruppen, die Schöpfungen hervorbringen. Auch die Haltung dazu kann so bezeichnet werden. Auch Strukturen oder Organisationen, in denen solche Personen schöpferisch tätig sind, können dieses Attribut verdienen. Entscheidend scheint mir dabei eine Haltung zu sein, Neues zu wollen und zu wagen. Es lässt sich wohl nicht bestreiten, dass es besonders phantasiebegabte und kreative Menschen gibt; indes können in jedem von uns Ideenreichtum und Kreativität gesteigert werden. Techniken und Methoden dazu sind bekannt und erprobt. Viele Unternehmen haben sie in ihre Innovationsprozesse integriert. Das und die Anwendung dieser Techniken und Methoden sind Gegenstand des unternehmerischen Managements. Soweit es dabei darum geht, die IP-Aufstellung des Unternehmens zu begründen oder zu verbessern, ist dieses Management bereits IP-Management. Zurück zum Apple-Beispiel: Man wird sich wohl darauf einigen können, dass das Geschäftsmodell dieses Unternehmens auf Kreativität regelrecht aufgebaut ist. Apple macht den Eindruck, dass das Hervorsprudeln lassen von Ideen und die Aufrechterhaltung einer Atmosphäre, in der das möglich ist, ein strategisches Hauptanliegen dieser Firma ist. Es liegt zentral im strategischen Fokus. Das Management dieser Teildisziplin der systematischen Wertschöpfung ist verschwistert mit der des Ideenmanagements.
2. Ideen
Anders als es der Evangelist Johannes eingangs seines Evangeliums für die Erschaffung der Welt ausdrückt, steht für den Menschen und seine Lebens- und Aktivitätsbereiche „am Anfang“ nicht das Wort, sondern regelmäßig die Idee. Mit ihr beginnt in der Wirtschaft jeder Leistungsprozess. Im heutigen allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet „Idee“ einen Gedanken, nach dem man handeln kann, eine Vorstellung oder Meinung. Oft handelt es sich um einen Einfall, einen originellen, manchmal geistreichen oder witzigen, immer aber neuen Geistesblitz, den man in die Tat umsetzen kann. Als Idee bezeichnet man auch den gedanklichen Entwurf zu einem Werk der bildenden Kunst oder einer literarischen Schöpfung, aber auch einer technischen Erfindung.[3] Ideen und deren Hervorbringung und Weiterentwicklung sind somit die Grundlage jedweden Fortschritts und jeder Innovation. Ihre herausragende Bedeutung am Anfang der Wertschöpfungskette steht in einem merkwürdigen Widerspruch dazu, dass Ideen an sich („bloße Ideen“) nach ganz einhelliger Auffassung dem rechtlichen Schutz grundsätzlich nicht zugänglich sind; dem entspricht es, dass sie sich sperrig einem Handel mit ihnen widersetzen: Es bedarf einer ausgearbeiteten, ausreichend detaillierten Konkretisierung von Ideen, damit sie sowohl schutzfähig werden als auch an Wert gewinnen, um kommerzielles (Kauf-)Interesse zu generieren. Das Ideenmanagement umfasst die Generierung, Sammlung und Auswahl geeigneter Ideen für Verbesserungen und Neuerungen. Ziel des Ideenmanagements ist die Mobilisierung von Leistungsreserven durch die Förderung eines kreativen Arbeitsklimas, um unter Einbeziehung aller Mitarbeiter die Wettbewerbsfähigkeit der Organisation zu stärken. Das Ideenmanagement ergänzt das Innovationsmanagement, bei dem in der Regel nur ein Teil der Belegschaft involviert ist.[4] Ideen begründen Wissen. Ihre erschöpfende Auswertung, d. h. die Erkenntnis des Veränderungspotentials von Ideen, ihrer Vernetztheit mit weiteren Ideen und Konzepten, führt zur Anreicherung des Wissensfundus eines Unternehmens. Es ist herausgefordert, dessen Verwertbarkeit systematisch zu beurteilen und zu nutzen, um das Erreichen der strategischen Ziele und deren Weiterentwicklung zu fördern. Auch insoweit kann Apple als vorbildlich angesehen werden. Dazu nur ein Beispiel: Für die Bezeichnung einer ganzen Produktreihe und der zugehörigen Einzelobjekte wählte Apple die Bezeichnung Macintosh. Im Englischen handelt es dabei um eine bekannte Apfelsorte. Mit dieser Wahl blieb Apple im angestammten „Obst(marken)bereich“ und war zugleich in der Lage, die Zugehörigkeit dieser neuen Produkte zum Gesamtunternehmen Apple hervorzuheben. Darüber hinaus war die internationale Kommunizierbarkeit (Aussprechbarkeit) dieser Bezeichnung gegeben, nicht zuletzt auch durch die Abkürzbarkeit zu „Mac“.
3. Wissen
Wissen kann als ein für Personen oder Gruppen verfügbarer Bestand an Kenntnis verstanden werden, bestehend aus jeweils zutreffenden, nicht auf falschen Annahmen beruhenden Informationen (Fakten, Theorien und Regeln). Sie können als zutreffend gelten, wenn sie sich durch den größtmöglichen Grad an Gewissheit auszeichnen, so dass von ihrer Gültigkeit bzw. Wahrheit ausgegangen werden kann. Jedes Unternehmen verfügt in seinen Unternehmensangehörigen über kommerziell und wettbewerblich relevantes Wissen. Es liegt dann vor als „Geschäftsinformation“ im Sinne der EU-Geheimnisschutzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016). Geschäftsinformation kann die Form von (nicht-technischen) Geschäftsgeheimnissen haben oder von (technischen) Betriebsgeheimnissen. Letztere werden für gewöhnlich auch Know-how genannt. Die Umsetzung der Richtlinie in ein nationales deutsches Schutzgesetz für Geschäftsinformationen ist für 2018 zu erwarten. Wenn zunächst nur als Gedanken vorliegende Geschäftsinformationen zu Schutzrechten „erstarken“, findet eine bedeutsame Metamorphose statt: Aus ökonomischem Potential wird handfestes Unternehmensvermögen. Das gleicht einem betrieblichen Verfestigungs- oder „Gerinnungs“-Vorgang. Dementsprechend könnte man sagen, dass Schutzrechte und ähnlich verteidigungsfähige Rechtspositionen „geronnenes Wissen“ sind. „Geronnen“ zu Wert, zu Schutz und zu rechtlicher und kommerzieller Verfügbarkeit (Verwertbarkeit). Mit dieser Sichtweise offenbaren sich solche IP-Bestandteile als Bausteine für die Kapitalisierung des geistigen Eigentums und Konvertierung der darin enthaltenen immateriellen Vermögenswerte in alternative Vermögenswerte. Mit der Erstellung und dem Besitz solcher Bausteine gibt sich das Unternehmen natürlich nicht zufrieden. Dort bleibt selbstverständlich nicht stehen, sondern nutzt den erreichten Stand als Ausgangsbasis für weitere IP-Aktivitäten, und zwar mit den Mittel des Wissensmanagements, insbesondere der internen Unternehmenskommunikation.
4. Kommunikation
Kommunikation Damit der Wert des relevanten Wissens bestmöglich genutzt werden kann, muss sichergestellt werden, dass es im Unternehmen überall dort verfügbar ist und genutzt werden kann, wo es werden profitabel verwertet werden kann. Dieses Ziel ist mit den Mitteln des Wissensmanagement zu verfolgen. Das ist der systematische Prozess des Kreierens, Akquirierens, Synthetisierens und Teilens sowie Bewahrens von Informationen, Einsichten und Erfahrungen.[5] Entscheidend ist damit der qualifizierte Zugriff auf dieses Wissens. Einerseits ist u. a. die Zugänglichkeit des Wissens zu managen, andererseits die Zugriffsberechtigung zu organisieren. Die Prozesse der Wissensverwertung, der Verbreitung und Anreicherung sind zu steuern und zu kontrollieren. Dass hier die Disziplinen des Organisationalen Lernens und der effektiven und effizienten Digitalisierung der beteiligten Prozesse entscheidende Bedeutung haben, bedarf keiner weiteren Darlegung. Gegenstand der Kommunikation wird dabei die Gestaltung von Kommunikationsstrukturen ebenso sein müssen wie die von Informationssystemen, damit z. B. auch die ggf. bestehende Unvollkommenheit und Unsicherheit von Informationen in Entscheidungssituationen identifiziert und neutralisiert werden können.
Im Beispiel „Apple“ wurde auf allen angesprochenen Ebenen Hervorragendes geleistet. Auch wenn die ursprüngliche Entscheidung für „Apple“ in Wort und Bild von Newton angeregt wurde, war sie für das Geschäftsmodell gleichwohl hochgradig kreativ.
Um die Kreation herum wurden systematisch Ideen generiert. Das geht gegenwärtig über die Erfindung der „Mac-“ und „i“-Welten (iPhone, iPad, iPod und sogar iMac) hinaus zur markenfähigen Gestaltung von Geschäftsinnenräumen; eine entsprechende Marke wurde Apple zugesprochen.[6] Die Stringenz und die Disziplin der Apple-Markenführung lassen auf eine hervorragend konzipierte Markenstrategie des Unternehmens schließen. Deren Umsetzung hängt indessen nicht nur von dem hohen intellektuellen Niveau der Konzeption ab, sondern in erster Line davon, dass deren Gehalt aufgrund der Leistungen der internen Unternehmenskommunikation von einer möglichst großen Zahl von Unternehmensangehörigen nicht nur gewusst, sondern auch verinnerlicht und bejaht wird. Kreativität, Ideenreichtum und Wissen ergänzen sich in dieser Weise zu einem notwendig Ganzen. Das herzustellen ist eine wesentliche Herausforderung des strategischen IP-Managements.
Zu jedem der einzelnen Themenbereiche Kreativität – Ideen – Wissen liegen zahlreiche qualifizierte Abhandlungen vor. Anliegen dieses Blog-Beitrages ist es nicht, dem einen weiteren Text hinzuzufügen. Vielmehr war aufzuzeigen, dass ein qualifiziertes IP-Management gut daran tut, ja sogar darauf angewiesen ist, sich – mit dem Blick auf Ganze – der Beherrschung der Disziplinen Kreativität, Ideen und Wissen zu widmen und den beteiligten Kommunikationsvorgängen die erforderliche Aufmerksamkeit zu schenken. Das wird in den Unternehmen Aufgabe des IP-Managers sein, der nach meinem Verständnis in erster Linie koordinierende und kommunikative Aufgaben zu erfüllen hat.
© 2017
Axel Mittelstaedt
[1] Sh. beispielsweise, gerade mit Blick auf das IP-Management: Mittelstaedt, Intellectual Property Management (2016), S. 21 ff., 122.
[2] Sh. die Darstellung in Wikipedia unter „Apple“ (Stand 4.9.17).
[3] Vgl. Wikipedia „Idee“, Stand 06.09.2017.
[4] Vgl. ebendort.
[5] Vgl. Frei-Luxemburger (Hrsg.), Wissensmanagement…, S. 173 f.
[6] EuGH, Urteil vom 10.7.2014, Az. C-421/13.