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Vorstände von Linde, Wacker Neuson und Dräxlmaier diskutieren die DIN77006 im Mercedes Tower auf Einladung der LBBW

Auf Einladung der Landesbank Baden-Württemberg diskutierten unter dem Titel: „China und USA in der digitalen Patentoffensive“ am 16. September im Mercedes Tower in München die Vorstände Hr. Martin Lehner, CEO von Wacker Neuson, Herr Dr.-Ing. Martin Gall, CTO von Dräxlmaier und Herr Dr. Christian Bruch, CEO der Linde Engineering mit Prof. Dr. Alexander Wurzer die aktuellen IP-Entwicklungen in der digitalen Transformation und die Implementierung der DIN77006 in der industriellen Realität. Die Podiumsdiskussion stand unter dem Motto: „Wo steht Deutschland zwischen diesen Fronten?“ Die Frage wurde auf Einladung von Dr. Peter Hegen, Leiter des Bereichs Unternehmenskunden und Key Accounts Bayern, sowie Alexander Wolfensperger, Leiter der Niederlassung Unternehmenskunden der LBBW, diskutiert.

Hintergrund der Veranstaltung war das Positionspapier des Industrierats Wettbewerb des Dieselkuratoriums „IP als Wettbewerbsinstrument in der Industrie 4.0“. Prof. Dr. Wurzer führte mit einem Impulsreferat in das Thema ein. Hier die Kernaspekte des Einführungsvortrags:

  • Man kann sich die innovativen, mittelständischen Weltmarktführer in Deutschland gleichsam eingespannt in einen Schaubstock vorstellen, dessen Wettbewerbskräfte durch die USA („von oben“) und durch China („von unten“) wirken.
  • Die Wirkkraft wird nicht nur durch reale wirtschaftliche Handlungen herbeigeführt, sondern vor allem auch, durch die faktische Verteilung / Umverteilung von Wettbewerbspositionen mittels Patentaktivitäten speziell in Digitaltechnologien und digitalen Geschäftsmodellen erreicht.
  • Die Wirkkraft „von oben“ ist die strategische Besetzung von Zukunftsfeldern durch amerikanische Unternehmen; wobei diese Unternehmen häufig weitgehend ohne realwirtschaftlich/industrielle Basis agieren, jedoch sehr stark in der Besetzung von immateriellen Vermögenswerten und digitalen Lösungen und Plattformen sind.

 

Beispiele und empirische Daten finden sich für diesen Vorgang genügend:

  • Google und Smart Home -> Beispiel eines Patents für die Analyse von Geräuschen im häuslichen Umfeld
  • 5G und die schon existierenden und damit einhergehenden „Patentkriege“, die jetzt durch IIOT-Technologien von der Telekomindustrie weg, auch auf die klassischen Industriezweige durchschlägt (Beispiel Patentverletzungsklage gegen VW mit außergerichtlicher Einigung in Mrd.-Höhe Ende 2018).
  • Cloud Computing, die Industrie wandert flächendeckend mit Ihrer IT in die Cloud (Zunahme der Patentverletzungsstreitigkeiten mit Cloud-Technologien in den USA in den letzten vier Jahren um 700%). Auch die Verträge in Europa von AWS, Google und Microsoft Azure sehen bereits das aufkommende Patentverletzungsrisiko vor.
  • Die Anmeldezahlen von Digitalpatenten steigt in Europa in den letzten drei Jahren um 54% -> während man hierzulande oft noch der „Meinung“ ist, man könne softwarebasierte Technologien nicht patentieren (siehe Studie des Europäischen Patentamtes).
  • Ein Beispiel für Digitaltechnologien sind Blockchain-Anwendungen. Auf den letzten Seminaren des Europäischen Patentamts wurden Zahlen präsentiert welche dramatische Anmeldeentwicklung in China, USA und bei PCT(„weltweiten“) Patentanmeldungen seit 2015 zu verzeichnen sind.

Gleichzeitig gibt es aus Asien/China eine Wirkkraft, die „von unten“, also aus den technologisch-industriellen Aufholerländern insbesondere China und Korea, kommt und die vor allem auch eine realwirtschaftliche Komponente bei den physischen Technologien hat.

Beispiele und empirische Daten finden sich für diesen Vorgang ebenfalls genügend:

  • China hat eine weltweite – insbesondere Europa betreffende – Patentinitiative ausgerollt (schon seit dem letzten 5 Jahresplan) und die Ergebnisse sind jetzt sichtbar. Zum Beispiel war Huawei in 2017 der größte Patentanmelder in Europa, in 2018 mit acht Anmeldungen hinter Siemens; gefolgt von Samsung und LG
  • In China sind mindestens drei Realitäten gleichzeitig mit dem technologisch-industriellen Aufholen verbunden: China ist immer noch mit Abstand Plagiatsweltmeister; Deutschland ist für China in Europa immer noch mit Abstand der größte Markt für Direktinvestitionen; China kauft sich Europäische Kompetenzen (Energiesysteme, Biomedizin, Medizingeräte, Roboter etc.) durch Beteiligungen und Übernahmen
  • Und: neben den rasant steigenden Ausgaben für F&E, scheint China in einigen Marktbereichen wie E-Mobilität und KI schon jetzt uneinholbar.

 

Wo steht Deutschland zwischen diesen Fronten?

  • Verschiedene Indikatoren und anekdotische Beispiele zeigen: Deutschland gibt Gas und holt auf. Es gibt hierzulande eine intensive Diskussion um die Frage, wie man die digitale Transformation der Wirtschaft zu gestalten hat und wie sich einzelne Unternehmen positionieren. Gerade auch beim Schutz digitaler Geschäftsmodelle werden am Deutschen Patent- und Markenamt, beim Europäischen Patentamt und in der konkreten Industriepraxis (z.B. durch Claas, Rittal, Hansgrohe, Heraeus) hervorragende Ergebnisse erzielt.
  • Durch die neue DIN77006 wird nun erstmalig die Qualität im IP-Management auch in den ISO 9001-Kontext gesetzt und der Umgang mit geistigem Eigentum dem üblichen Risiko- und Qualitätsmanagement zugeführt -> damit ist Deutschland führend
  • In einer Vielzahl von Veranstaltungen wird der Normenansatz präsentiert und diskutiert und von einer Reihe von Unternehmen implementiert

 

Auf der anschließenden Podiumsdiskussion wurden folgende Themen diskutiert:

  • Wie nehmen Sie in Ihrer Branche das Thema Digitalisierung/digitale Transformation war?
  • Stellen Sie, wie im Positionspapier beschrieben, in Ihrem Wettbewerbsumfeld fest, dass sich die Art und Weise wie mit Patenten umgegangen wird verändert – insbesondere, dass zunehmend nicht mehr technische Details sondern vielmehr Geschäftsmodell(zugänge) patentiert werden?
  • Wie positionieren Sie Ihr Unternehmen dazu?
  • Stellen sie ebenso, wie im Positionspapier „IP und Industrie 4.0“ des Dieselkuratoriums beschrieben, fest, dass die Entwickler an Software- und Digitalthemen viel weniger Erfindungsmeldungen machen, dass diese Informatik-Experten viel weniger das ingenieursseitige „Erfindergen“ in sich tragen und daher die softwareorientierten Technologien gerade im deutschen Mittelstand viel weniger Patentgeschützt sind?
  • Denken Sie, dass eine DIN 77006 für die Qualität im IP-Management als Teil der ISO9001 dabei helfen wird, die hervorragende Stellung der deutschen Industrie als globaler Innovationstreiber im Umgang mit geistigem Eigentum auch gegenüber IP- und Technologiefernen Stakeholdern wie Investoren, Finanzierern, Shareholdern und Wirtschaftsprüfern näher zu bringen und die Risikovorsorge transparenter zu machen?

Die Diskutanten:

Dr. Christian Bruch

Dr. Christian Bruch ist Executive Vice President Linde plc und CEO Linde Engineering.

Zwischen 2015 und 2018 war Dr. Bruch Mitglied des Vorstands der Linde AG und verantwortlich für die Engineering Division sowie für die Corporate & Support Funktion Technologie & Innovation, Digitalisierung.

2013 wurde er in die Geschäftsleitung der Engineering Division berufen.

Dr. Bruch wechselte 2009 von der Linde Gases Division zum Geschäftsbereich Engineering, nachdem er zum Leiter der Produktlinie Luftzerlegungsanlagen ernannt wurde.

Dr. Bruch kam 2004 zur Linde Group und war im Jahr 2005 in der Gases Division als Business Development Manager im Bereich Airgases tätig. 2006 wurde er Leiter des Tonnage Business Development für Luftzerlegungsprojekte in Europa, dem Nahen Osten und Afrika. 2000 wechselte Dr. Bruch zum Energieversorgungsunternehmen RWE. Zuletzt war Dr. Bruch als Leiter der Forschung und Projektentwicklung bei RWE Fuel Cells GmbH für das Unternehmen beschäftigt.

Dr. Christian Bruch hat an der Universität Hannover Maschinenbau studiert. Er promovierte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und arbeitete dort ab 1997 als Projekt-Ingenieur in der Forschung.

 

Dr.-Ing. Martin Gall

Dr. Gall startete seine berufliche Karriere bei der Siemens AG (später: Infineon AG) in unterschiedlichen Funktionen im Rahmen eines Joint-Development-Programms für Speichersysteme in den USA, bevor er 2000 als Senior Director die Gesamtprojektleitung für Infineons 90-nm-Technologieplattform übernahm.

2004 erfolgte der Wechsel zur DRÄXLMAIER Group als Managing Director des Bereiches Electronic and Test. 2007 übernahm er die Funktion des CEO und Präsidenten der amerikanischen Tochtergesellschaft.

2009 wurde Dr. Gall Managing Director von Qestronic, dem e-Mobility-Haus der DRÄXLMAIER Group. Seit 2014 ist er CTO und Vorstandsmitglied der Gruppe und verantwortet als Leiter der weltweiten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten mehr als 4.700 Mitarbeiter an 54 Standorten weltweit.

Dr. Gall studierte Elektrotechnik und Informationstechnik an der TU München mit anschließender Promotion.

 

Martin Lehner

Martin Lehner ist seit 2017 als Vorstandsvorsitzender der Wacker Neuson Group verantwortlich für die Bereiche Forschung und Entwicklung, Produktion, Qualität, Einkauf, Strategie/M&A, Personal, Recht, Compliance, Investor Relations, Unternehmenskommunikation und Nachhaltigkeit.

Er hatte verschiedene geschäftsführende Funktionen inne, bevor er 2004 in den Vorstand der Neuson Kramer Baumaschinen AG und nach der Fusion 2007 mit der Wacker Construction Equipment AG zum Vorstand der Wacker Neuson SE berufen wurde.

Er ist seit 2011 Mitglied der »High-Level Technical Policy Advisory Group« des europäischen Baumaschinenverbands CECE in Brüssel und seit 2018 Vorstandsmitglied im VDMA Fachverband Baumaschinen und Bauanlagen sowie in der Arbeitsgemeinschaft »Machines in Construction 4.0«.

Martin Lehner hat eine Maschinenbauausbildung und befasst sich unter anderem mit den Themen Industrie 4.0, der Digitalisierung in der Bauindustrie und pflegt intensive Kontakte in die deutsche und österreichische Start-up-Szene. Er ist seit 2018 Vorsitzender des Investorenbeirats des Speedinvest Industry Venture Capital Fonds und Mitglied des Dieselkuratoriums.

 

Prof. Dr. Alexander Wurzer

Prof. Dr. Alexander J. Wurzer ist geschäftsführender Gesellschafter der WURZER & KOLLEGEN GmbH, ein Beratungsunternehmen für strategisches IP-Management.

Er ist Leiter des Steinbeis-Transfer-Instituts für Intellectual Property Management der Steinbeis-Akademie GmbH sowie Adjunct Professor am Centre d’Études Internationales de la Propriété Intellectuelle (CEIPI) der Universität Strasbourg und leitet dort seit 2007 den Master-Studien gang für Intellectual Property Law and Management (MIPLM).

Prof. Dr. Wurzer berät Industrieunternehmen bei der IP-Strategieentwicklung und deren Umsetzung im betrieblichen IP-Management und ist international anerkannter Gutachter für IP-Bewertung, insbesondere bei FRAND-Themen und Lizenztransaktionen

Weiterhin ist Prof. Dr. Wurzer der Obmann des DIN-Ausschusses DIN 77006 für die Qualität im IP-Management und DIN 77100 für Patentbewertung. Er ist Vorstand des Deutschen Instituts für Erfindungswesen e. V. (D.I.E) und Sprecher des Dieselkuratoriums zur Verleihung der Dieselmedaille. Er ist seit 2018 Jurymitglied für den German Innovation Award des Rats für Formgebung.

Er studierte Physik, Mikro- und Molekularbiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und promovierte zum Dr. rer. nat. an der Fakultät Physik. Seit Mitte der 90er-Jahre ist er selbstständig im IP-Management für internationale Institutionen und Unternehmen tätig.